Wie gendert man in Leichter Sprache?

Geschlechtergerechte Sprache kann in Übersetzungen in Leichte Sprache zu einer Barriere werden. Das zeigt sich bei den Textprüfungen durch Menschen mit Behinderung. Die Regelwerke von Inclusion Europe und Netzwerk Leichte Sprache machen auf diese Schwierigkeit aufmerksam.

Ein Verzicht auf gendergerechte Sprache heißt aber, die Leserinnen und Leser in Leichter Sprache anders zu behandeln als alle anderen. Das ist nicht im Sinne der Inklusion. Außerdem ist sie Sprache auch der Leichten Sprache längst Alltag geworden. Als Übersetzer für Leichte Sprache verständigen wir uns mit unseren Auftraggebern möglichst frühzeitig über das Gendern in den Texten in Leichter Sprache.

Über das Gendern in den Übersetzungen in Leichte Sprache wird in vielen Beiträgen diskutiert. Wir gehen darauf ein und stellen die verschiedenen Techniken vor.

Gendern mit Sonderzeichen

Sonderzeichen sind für Übersetzungen in Leichte Sprache nur bedingt geeignet. Das gilt für einen Stern, Schrägstriche, Doppelpunkte, Unterstriche oder Binnen-I *3. Sonderzeichen stoppen den Lesefluss und werden meistens nicht verstanden. Wenn ein Sonderzeichen verwendet wird, muss es erklärt werden. So die Aussage in einem Blogbeitrag aus dem Jahr 2020.

Gendern durch doppelte Nennung

Eine Möglichkeit ist die konsequente Doppelnennung. Das ist bei alltäglichen Wendungen „Liebe Bürgerinnen, liebe Bürger“ kein Problem. Bei der Übersetzung in Leichte Sprache sollte aber erst die männliche Form genannt werden, weil sie die kürzere ist.

Nachteil: Die konsequente Nennung der weiblichen und männlichen Form konkurriert mit der Leichte-Sprache-Regel „Sprachökonomie“. Das gilt besonders für Berufsbezeichnungen, die sowieso immer komplizierter werden. Zum Beispiel: Gesundheits- und Krankenpflegerin, Gesundheits- und Krankenpfleger.

Gendern durch neutrale Form

Der Duden Leichte Sprache (Regelwerk) *1 empfiehlt den Ersatz der männlichen Bezeichnung durch eine neutrale Form. Leider entstehen dadurch selten verwendete Kunstwörter. Menschen, für die Leichter Sprache gedacht ist, verstehen sie nicht. Das Genderwörterbuch *2 ist für Übersetzungen in Leichte Sprache leider keine große Hilfe.

Weniger bekannte Wörter, Partizipien und Neuschöpfungen sind zu schwer“, heißt es in einem Blogbeitrag auf genderleicht.de *3. Autorin Lucia Clara Rocktäschel nennt einige Beispiele, was in Leichter Sprache funktioniert und was nicht:
Gut geeignet: Mensch / Person / Leute / Mitglied
Nicht geeignet: Mitarbeitende / Interessierte / Leserschaft / Lehrkraft

Nur die männliche Form

Der Duden Leichte Sprache (Ratgeber)* 4 aus dem Jahr 2016 lässt die Möglichkeit offen, aufs bei Übersetzungen in Leichte Sprache aufs Gendern zu verzichten. Der Übersetzung in Leichte Sprache sollte eine Erklärung vorangestellt werden. Sie könnte lauten: „Das Wort Notar steht im Text. Der Notar kann ein Mann sein. Aber ein Notar kann auch eine Frau sein. Die Frau heißt dann: Notarin. Im Text stehen immer nur Wörter für Männer. Dann kann man den Text leichter lesen.“

Verständlichkeit der Gender-Techniken

Capito Graz testete in einer Studie zur gendergerechten Übersetzung in Leichte Sprache die verschiedenen Gender-Techniken in Prüfgruppen. *5 Die Studie aus dem Jahr 2022 schloss grundsätzlich aus, nur die männliche Form zu verwenden. An der Studie nahmen 54 Prüferinnen und Prüfer für Leichte Sprache in Deutschland und Österreich teil. Ihre Sprachniveaus waren A1, A2 und B1.

Gut verstanden wurden:
Neutrale Nennung (Leute, Menschen…)
Nennung der männlichen und weiblichen Form
Überwiegend gut verstanden wurden:
Das Sonderzeichen Stern, noch besser als der Doppelpunkt
Schlecht verstanden wurden:
Partizipien (Mitarbeitende, Lehrende)
Doppelnennung mit Artikel (der / die Mitarbeiter:in)

Ausnahmen

Wir machen auch Ausnahmen, nämlich dann, wenn die Nennung nicht auf natürliche Personen bezogen ist. Unsere aktuellen Beispiele:
Sender und Empfänger – auf Kommunikation bezogen
Arbeitgeber – auf Firma oder Behörde bezogen


*1 Duden Leichte Sprache (Regelwerk) 1. Auflage, 2016, ISBN 978-3-411-75618-6 Leseprobe online

*2 Online-Genderwörterbuch „geschickt gendern“

*3 Blockbeitrag Lucia Clara Rocktäschel: https://www.genderleicht.de/gendern-in-leichter-sprache-anleitung/

*4 Duden Leichte Sprache (Ratgeber) ISBN: 978-3-411-75618-6

*5 Capito Graz: Leicht verständliche Sprache genderfair! genderstudie-2023-vollversion.pdf

Links geprüft am 15. Juni 2023

Kategorie: FAQ Leichte Sprache
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